Das Debutalbum 20th Century Russian Piano Sonatas – CD des Doppelmonats

Carsten Dürer - "Piano News" Magazin (February 2021)

Anastasia Yasko, eine russische Pianistin, die in Moskau und am Mozarteum in Salzburg ihre Ausbildung erhielt, hat sich hier vier Klaviersonaten aus dem 20. Jahrhundert aus Russland ausgesucht, die selten oder so gut wie nie im Konzert gespielt werden, um sie einer breiteren Öffentlichkeit zu präsentieren. Schon die Klaviersonate Nr. 9 von Sergei Prokofiew wird – im Vergleich mit den Sonaten Nrn. 6-8 – nur wenig gespielt. Dabei ist diese 1947 entstandene Sonate ein Meisterwerk in Bezug auf lyrische Gestaltung und in ihrer Viersätzigkeit auch formal ein so geschickt durchkomponiertes Werk, dass man als Zuhörer in den Sog einer Erzählung gerät, deren Polyphonie und das Moment des Fortlaufes Yasko so geschickt zu gestalten versteht, dass man das Märchenhafte und Fantasievolle leicht in sich aufnimmt. Gerade das „Andante tranquillo“ des 3. Satzes versteht Yasko brilliant auszuformen. Auch wenn sie insgesamt recht viel Haltpedal verwendet, um das Melodische zu unterstreichen, bleibt die Stimmtransparenz dennoch erhalten. Anders stellt sich die Sonate des in der Klaviermusik recht unbekannten Komponisten Georgy Sviridov (1915-1998) dar, die 1944 entstand und unter dem Einfluss von Schostakowitsch und Prokofiew steht. Doch schon der 1. Satz ist so wagemutig und in seiner rhythmischen Struktur so eindringlich, dass man aufhorcht. Der 2. Satz zeigt dann eine erweiterte, dissonante Harmonik, um den Ausdruck des im 2. Weltkrieg Verstörten zu unterstreichen. Yasko weiß auch hier den richtigen Klang zu treffen, um diese in Musik gesetzten Eindrücke herauszuarbeiten. Samuil Feinberg war ein Pianist und Komponist, der etliche Klaviersonaten hinterlassen hat, die erst kürzlich durch die Einspielung der ersten 6 von Marc-Andre Hamelin wieder ins Rampenlicht gekommen sind. Yasko spielt hier die letzte der 12 Sonaten und vermag auch hier zu überzeugen, auch wenn sie nicht ganz den improvisatorischen Drive dieses Werks trifft – aber insgesamt dennoch die feinen Strukturen in den Sätzen herauszuarbeiten versteht. Am Schluss dann die Sonate Op. 56 Nr. 4 des in Polen geborenen und nach Russland ausgewanderten Mieczyslaw Weinberg von 1956, als er sich längst von seinem Mentor Schostakowitsch gelöst und einen eigenen Stil gefunden hat. Dies ist vielleicht eine der besten Interpretationen dieser brillanten wie sarkastischen Sonate. Anastasia Yasko liefert eine Aufnahme mit extrem spannendem und fast unbekanntem Repertoire, das uns einen neuen Eindruck von der russischen Klaviersonate im 20. Jahrhundert gibt. Bravo!