Aus der Tiefe russischer Seelen

DrehPunktKultur - Horst Reischenböck, 19.02.2025

Nach ihren Studien an Moskaus renommierter Gnessins Schule und dem Tschaikowsky-Konservatorium kam Anastasia Yasko ans Mozarteum und schloss bei Rolf Plagge mit dem Master Degree ab. Seit 2018 ist sie dessen Assistentin. Vor zwei Jahren hat sie eine CD mit Werken von Chopin eingespielt. Ihre dritte, die Repertoirekenntnis bereichernde CD widmete sie nun Musik von Sergei Rachmaninow, Dmitri Schostakowitsch und seinem Zeitgenossen Dmitri Kabalewsky, also in unseren Breitengraden zu Unrecht selten gespielten Stücken ihrer Landsleute.

Die Werkreihenfolge entspricht genau den Entstehungsjahren, angefangen mit Rachmaninows ausladender Sonate Nr. 1 op. 28 in der von ihm favorisierten Tonart d-Moll. Später kürzte er deren, selbst als „wild und unendlich lang“ erkannten Sätze von einer dreiviertel Stunde Dauer um zehn Minuten. Wie Rachmaninow dann bekannte, inspirierte ihn Weltliteratur: „Der erste Satz entspricht Faust, der zweite Gretchen, der dritte dem Brocken und Mephistos Flug.“ Nach Richard Wagners Ouvertüre, der Sinfonie von dessen Schwiegervater Franz Liszt und Charles-Valentin Alkans bereits vorangegangen klavieristischer Umsetzung eine weitere hoch-romantische Auseinandersetzung mit den Hauptakteuren des Faus. Im anspruchsvoll fordernden Finale klingt auch bereits das von Rachmaninow später gern strapazierte Dies Irae-Motiv an.

Schostakowitsch hinterließ, abgesehen von den beiden, nicht zuletzt der Beschäftigung

mit Johann Sebastian Bach geschuldeten Prelude-Zyklen seinem Instrument nur wenige Stücke. Seine während dem Zweiten Weltkrieg entstandene Sonate h-Moll Nr. 2 op. 61 ist einer seiner tragischsten Beiträge zur Gattung. Die Initialen seines Namens sind einbezogen. Wie bei Rachmaninow klingen auch hier Glockentöne ins Geschehen, in eine nicht heroische, sondern Herz-zerreißende Klimax, um in der abschließenden Chaconne, so lang wie beide vorangegangenen Sätze zusammen, hoffnungsloser Einsamkeit Ausdruck zu verleihen.

Um die Hörer nicht in absolute Depression zu entlassen, wendet sich Anastasia Yasko mit Kabalewskis Sonate Nr. 3 op. 46 in positive Gefilde. Ein temperamentvolles, wie das Dritte Klavierkonzert (1945) dieses Komponisten kräftig an die Jugend appellierendes Werk, hinter dessen Programm die damaligen kommunistischen Machthaber der UdSSR den ihnen damit vorgehaltenen Spiegel wohl nicht erkannten. So führen denn fröhlich anmutenden Klänge, in denen das dem Nachwuchs gewidmete Thema die Oberhand behält, schwungvoll in einen amüsanten, geistreichen Walzer. Die Pianistin setzt das in allen Abstufungen zwischen Mörderpranke und lyrisch intimem Nachsinnen überzeugend und technisch brillant um. Lohnenswert, sich das anzuhören!