„Frédéric Chopin Piano Works“

Antje Rößler - "Klassik Heute" (5. 02. 2023)

Die Musik von Frédéric Chopin liegt der russischen, am Salzburger Mozarteum lehrenden Pianistin Anastasia Yasko am Herzen. Für ihre mittlerweile zweite CD wählte sie vier größere Werke aus verschiedenen Schaffensphasen Chopins: zwei Polonaisen, die vierte Ballade sowie die h-Moll-Sonate. Den lesenswerten Booklet-Text hat die Künstlerin, die am Mozarteum auch einen Doktortitel erwarb, selbst verfasst.

Kontemplation und Brillanz

Los geht es mit dem jugendfrischen Andante Spianato et Grande Polonaise Brilliante, woran Chopin in seinen letzten Warschauer Monaten arbeitete. Anastasia Yasko stellt hier bravouröse Virtuosität zur Schau, wechselt punktgenau zwischen liedhafter Kontemplation und heroischer Brillanz. Ihre Läufe sind stets klar und nüchtern. Da wird nichts vernebelt; jeder einzelne perlende Ton bleibt erkennbar.

Chopin war der erste Komponist, der die literarische Gattung der Ballade auf die Instrumentalmusik übertrug. 1842 entstand die letzte und anspruchsvollste seiner vier Balladen. Anastasia Yasko erzählt hier mittels Musik eine Geschichte, schildert dramatische Episoden und subjektive Empfindungen. Immer wieder neue Anläufe, polyrhythmische Passagen, halsbrecherische Virtuosität lassen an eine stürmische Hetzjagd über Stock und Stein denken.

Luzides, klar konturiertes Spiel

Im Zentrum des Albums steht die h-Moll-Sonate, die Chopin 1844, fünf Jahre vor seinem Tod, auf George Sands Landsitz in Nohant schrieb. Yasko breitet den Farbenreichtum dieses Werks aus, macht daraus gleichsam ein „Konzert ohne Orchester“. Zum Abschluss spielt sie die Polonaise-Fantasie op. 61, die zu Chopins letzten Werken gehört: ein inniges Klavier-Poème, mit komplexen Emotionen und improvisiert anmutenden Abschnitten. Die Pianistin begeistert durch sensible Phrasierung und ein luzides, klar konturiertes Spiel. Mit ihrer geradlinigen, unsentimentalen Herangehensweise stellt sie unter vordergründig Virtuosem den musikalischen Gehalt heraus, lädt vermeintlich Unspektakuläres mit Bedeutung auf. Anastasia Yasko zeigt sich hier als faszinierende Chopin-Interpretin!

Antje Rößler [05.02.2023]