Debut Recording 20th Century Russian Piano Sonatas
Guido Krawinkel - "Klassik Heute" (April 2021)Klaviersonaten sind im 20. Jahrhundert nicht etwa rar gesät, sie machen sich nur meistens rar auf vielen Konzertprogrammen. Dabei gäbe es jede Menge guter Beispiele abseits des spätromantischen Mainstreams, man denke nur an Komponisten wie Hindemith, Ives, Schönberg oder Eisler. Vier besonders interessante Sonaten russischer Provenienz hat die Pianistin Anastasia Yasko für diese CD aufgenommen. Darunter ist mit der neunten – und letzten – Sonate von Sergej Prokofiev ein selten gespieltes Werk, dessen Komponist allerdings alles andere als unbekannt ist. Anders etwa als Georgy Sviridov, Samuil Feinberg und Mieczysław Weinberg, die zumeist nur Kennern des Repertoires ein Begriff sein dürften. Das ist schade und zweifellos eine Bildungslücke, aber die füllt Anastasia Yasko mit dieser spannenden CD ja nun erfreulicherweise. Sviridovs Sonate op. 4 etwa, der einzige Beitrag des überwiegend für Vokalmusik bekannten Komponisten zu dieser Gattung, ist ein besonders interessantes Beispiel, erlaubt sich Sviridov hier doch zahlreiche Anspielungen auf Ludwig van Beethovens sogenannte Appassionata, die Klaviersonate Nr. 23. Das Stück ist dennoch alles andere als epigonal, sondern ein bemerkenswertes Beispiel individueller Kompositionskunst.
Auch die Sonate Nr. 12 von Samuil Feinberg, wie Prokofjevs neunte auch die letzte des Komponisten, ist mit ihrem höchst originellen Zuschnitt eine Bereicherung des Repertoires, ebenso wie Weinbergs vierte Sonate op. 56. Letzterer war ein ungeheuer produktiver Vertreter seiner Zunft, dessen Werk in den letzten Jahren glücklicherweise Schritt für Schritt wiederentdeckt wird. Auch hierzu mag Anastasia Yaskos Einspielung einen wertvollen Beitrag leisten. Ihre Interpretation – nicht nur dieser Sonate – ist musikalisch über jeden Zweifel erhaben, hier reißt sie jedoch regelrecht mit. Der harmonisch-rhythmisch vertrackte zweite Satz etwa ist ein Meisterstück, das elegisch-verträumte Adagio ebenso. Anastasia Yasko gestaltet jedoch alle vier Sonaten mit pianistischem Tiefgang. Virtuosität ist da nur Mittel zum Zweck, was zählt sind Ausdruck und Struktur. Diesbezüglich weist Yaskos Spiel eine enorme Sensibilität und Ausdruckstiefe auf, zudem ist es stets sehr klar und strukturiert. Da bleiben wirklich keine Wünsche offen.