20th Centura Russian Piano Sonatas
Klassik Heute - Prof. Klaus Trapp (25.01.2025)Die im russischen Kursk geborene Pianistin Anastasia Yasko, die seit 2018 am Mozarteum in Salzburg unterrichtet, hat im vergangenen Jahr die zweite Folge russischer Klaviersonaten des 20. Jahrhunderts eingespielt, nachdem sie bereits 2018 ein erstes Album mit Werken von Prokofiev, Sviridov, Feinberg und Weinberg veröffentlicht hatte. Mit der ersten Sonate von Rachmaninoff aus dem Jahr 1907 hat sie sich nun eine besonders monumentale Komposition vorgenommen. Die Sonate in d-Moll, die auch nach einer Kürzung durch den Komponisten noch etwa 35 Minuten dauert, folgt den Spuren von Goethes Faust, wenn die drei Sätze, ähnlich wie bei Liszts Faust-Sinfonie, den Figuren Faust, Gretchen und Mephisto gewidmet sind.
Ein faustisches Werk
Das virtuose Werk läuft allerdings Gefahr, die Thematik in einem Übermaß virtuoser Aufgipfelungen zu verwässern. Die hervorragend geschulte Pianistin tut ihr Bestes, um die wesentlichen Gedanken herauszuarbeiten, indem sie das überschäumende Figurenwerk dynamisch zurückstuft. Insgesamt beherrscht ihr markanter Anschlag das Geschehen, der auch in leisen Phasen noch recht dominant wirkt. Den stärksten Eindruck hinterlässt der Finalsatz, der mit Anspielungen auf das „Dies-Irae“-Motiv, auf das wilde Treiben der Walpurgisnacht und durch das tragische Ende Spannung entwickelt.
Eine tiefernste Sonate
Bedeutender ist die während des Zweiten Weltkrieges entstandene h-Moll-Sonate von Schostakowitsch, ein Werk, das spielerische Leichtigkeit mit tiefem Ernst verbindet. Die Pianistin folgt streng den Tempo-Vorgaben des Komponisten, so dass aus der scheinbar einfachen Struktur in den Ecksätzen mächtige Spannungsbögen entstehen. Und das im Zentrum stehende Largo wirkt wie ein düsterer, bitterer Monolog, zumal die Interpretin das vorgeschriebene Rubato nur bedingt berücksichtigt.
Unterhaltsame Klänge
Leichtgewichtiger und unterhaltsamer ist dagegen die dritte Sonate von Dmitri Kabalewski aus dem Jahr 1948, die zwischen tänzerischer Melodik und grotesken Episoden pendelt. Die Wiedergabe der drei Sätze verläuft präzise und ohne den Versuch, aus dem Stück mehr zu machen, als drinsteckt: muntere Hausmannskost im Schatten von Prokofiev.
Das Booklet enthält in deutscher und englischer Sprache treffende, von Anastasia Yasko verfasste Charakteristiken der drei Sonaten. Die Pianistin, die im Herbst 2024 ein Buch über „Die Klaviersonate im Russland der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts“ veröffentlicht hat, zeigt sich dabei auch als gründliche Musikwissenschaftlerin.